Die Teller


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Über unvollkommene und verschwindende Dinge.

Es gibt Momente: Während ich an Projekten arbeite und nicht weiß, bis wann ich die Arbeit „fertigstellen“ soll, ist es schwer, das Ende vorherzusagen. Daher plante ich einen unvollkommenen Job, der überhaupt nicht abgeschlossen werden konnte. Die Prämisse der Arbeit ist: Ich graviere auf die Gebetstafel die Namen aller Menschen, mit denen ich im Laufe meines Lebens gegessen habe. Das Erinnern ist ein unvollständiger, unsicherer und fragiler Prozess. Als Kontrast habe ich Beton verwendet, ein langlebiges Material, weil ich den flüchtigen Moment, den wir geteilt haben, physisch archivieren wollte. Wenn jemand seinen Namen in meiner Arbeit gefunden hat, kann er sich an den Moment erinnern, in dem wir zusammen gegessen haben. Natürlich kann ich mir nicht alle Namen merken. Daher ist das Kunstwerk ein „work in progress“ und sollte potentiell lebenslang weitergeführt werden.
Es bleibt für immer unvollständig.



Die Teller, Zement, variable Maße, seit 2017
„Losing Touch?“ Installationsansicht in Mönchehaus Museum Goslar, 2019




In Min Kims Beton-Tellern ist jeweils der Name einer Person eingeprägt, mit der die Künstlerin schon einmal gemeinsam gegessen hat. Ihre Arbeit hält diesen vergangenen Abschnitt von Zeit und Unmittelbarkeit des Miteianderseins fest, er wird physisch archiviert. Die aus dem Fluss der Zeit festgehaltene Erfahrung und Erinnerung “von dem, was uns nährt”erstarrt in flüssigem Beton.
- Miriam Laage




Die Teller Zement, variable Maße, seit 2017
“kon:.takt”, Installationsansicht in make-up, Berlin, 2021





In den aus Beton gefertigten Tellern graviert Min Kim Namen von Menschen ein, mit denen sie im Laufe ihres Lebens gegessen hat. Dies können flüchtige Bekannte, ebenso wie Verwandte und eng Freunde sein und auch die Menschen, an die sie sich nicht erinnern kann sind durch ihre Abwesenheit präsent. Denn durch sie bleibt die Arbeit unvollständig und muss es auch sein. Sie soll zeitlebens weitergeführt werden.
Das Fragile im Miteinander findet sich metaphorisch in den Tellern wieder. Einige weisen Risse auf oder sind bereits gesprungen. Unvollständige Erinnerungen scheinen mit ihnen zu zerbrechen und können auf unperfekte Beziehungen verweisen. Die Pandemie verdeutlichte das Empfindliche im Miteinander. Für selbstverständlich gehaltene Gepflogenheiten, wie das gemeinsame Essen, das ein wichtige Konstante sein kann, änderten sich oder brachen ganz weg. Auch die Arbeit an den Teller musste pausieren. Kontakte schliefen ein, weil sie nicht mehr gepflegt werden konnten und neu Erinnerungen warteten darauf geschaffen werden zu können.
Das Lesen der Namen auf den Tellern kann Zugriffe auf Vergangenes ermöglichen. Sowohl seiten der Künstlerin, als auch der Rezipientinnen und Rezipienten lassen sich Erinnerungen wachrufen. Sie bilden komprimierte Punkte eines Lebens, einer Landkarte von Kontakten und ermögliche Rückschlüsse, wie sich diese auf uns auswirken können. Sie regen an über die eigenen Beziehunge nachzudenken, über Momente des gemeinsamen Essens und was diese mit uns machen.
Die Arbeit verdeutlicht, wie wir noch im Nachhinein von diesen Treffen zehren, dass sie uns beschäftigen können, immer wenn wir uns an sie erinnern. Das Erinnern ist ein zentraler Aspekt, nur so haben wir die Möglichkeit reflektieren zu können und in Bezug zu setzen.
Die Teller konservieren die Zeit, ebenso wie gemeinsame Momente des Seins. Sie werden dem gemeinsamen Essen entlehnt und in eine andere Ebene überführt. Immer wieder lassen sie sich neu arrangieren und ihre immanenten Erinnerungen neu anordnen. So können sie als geistige Nahrung dienen, auch wenn der Moment des eigentlichen Essens bereits vorüber ist.

-Anna Mosemann_ 2021 Text von Ausstellung “kon:.takt”