It is always the world 





Alte Tankstelle Deutz, Köln
28.04.2022-02.06.2022

Jiyoung Hong, MIK NIM, Heeae Yang
Kuratiert von Anna Mosemann




Angelehnt ist der Titel an Rainer Maria Rilkes „Immer ist es Welt“ aus der achten Elegie. 

Mit ihren baulichen und strukturellen Eigenschaften bietet die Alte Tankstelle Deutz die Rahmung zu dieser künstlerischen Annährung. Sie öffnet die Möglichkeit, eingeübte Tätigkeiten und Verhaltensweisen zu hinterfragen, da sie in der Vergangenheit selber als Transitraum genutzt wurde. Auch heute noch weist sie durch ihre Lage und unmittelbare Umgebung Eigenschaften dessen auf.
Ein Transitraum ist ein Ort der Durchreise, des kurzen Ankommens und schnellen Wiedergehens. Er führt uns vor Augen, wie flüchtig sich unsere Umgebung hingeben kann und wie gerade Schwellenorte konzipiert wurden um möglichst unsichtbar und geräuschlos wahrgenommen, im Optimalfall sogar gar nicht wahrgenommen zu werden.
Sowohl Übergänge, als auch ein Weggang vollziehen sich im Transitraum. Oft markieren sie Grenzen, mit ihren Sicherungen und strukturellen Mechanismen von Macht. Sie lassen eine Form von Ohnmachtsgefühl aufkommen, können zugleich erleichtern und für einen Aufbruch stehen. Sie sind ambivalent. Es schwingen Lebenswendungen und Schicksale mit, in der heutigen Zeit so präsent wie schon lange nicht mehr. Auf dem Weg von Nicht-Raum zu Nicht-Raum, was passiert dann mit uns?
Was lassen wir zurück, was können wir nicht in uns bewahren, weil es durch unser Äußeres bedingt und verortet wird? Auszuhalten, auf der Reise zu sein, ungewiss welchen Ausgangspunkt sie nahm und welches Ziel sie definiert. Sich dem Austarieren zwischen Bewusstsein und Bewusstheit stellen. Veränderte und verändernde äußere Umstände zu erleben und verleben. Zeitliche Ebenen, die durch Flüchtigkeit bestimmt sind und sich dem Verorten entziehen. Diese Momente, dem Schlagen mit den Wimpern gleich.
Das künstliche Schaffen von Zeit und ihrer Klassifizierung, welche die Räume einteilt und das Verweilen reguliert. Wo dürfen wir zu Ruhe kommen und wieso brechen wir teils so schnell wieder auf? Zeitliche und räumliche Aspekte werden verwebt und erzeugen Konfrontationen. Diese Spannung gilt es auszutarieren und auszuhalten, die Flüchtigkeit und Isoliertheit soll aufgebrochen werden.



„Ohne Titel“, Aluplatten und Farbspray, 2022






„Sie hatte keine Wurzeln, obwohl sie ein Baum war.“

Die Holzvertäfelungen an den Wänden des Raumes umfangen die Betretenden, reihen sich dicht an dicht. Wie Baumstämme, die den Blick nicht nach außen dringen und den Wald vor lauter Bäumen nicht erkennen lassen. Die Oberflächen des gefalteten Aluminiums durchbrechen diese Dichtheit, brechen Licht und werfen es auf. Ihre Spiegelungen durchsetzen die Spannung, die Falten treffen aufeinander und entfernen sich. Sie trennen sich und nähern sich an, überlappen sich und bewegen sich voneinander weg. Diese Gemengelage assoziiert MIK NIM mit ihren Gesprächen mit Passant*innen. Sie spricht sie an, wenn sie mit ihrer „Bäumerin“ unterwegs ist, lässt diese als Medium wirken, mit derer Hilfe sich Austausch eröffnet, punktuelle Verbindungen entstehen können und sich wieder lösen. In diesen Gesprächen gibt es Grenzen, welche ausgelotet und auch mal verschoben werden. Im Grunde ist man sich während diesen kurzen Aufeinandertreffen fremd. Sie verlaufen in unvorhergesehenen Bahnen, streifen auch empfindliche und sensible Themen.

Faltet MIK NIM diese Aluplatten zu Formen, lässt sie sie zu dreidimensionalen Gebilden erstehen, dann verbindet sie punktuelle Momente zu Gebilden aus Zeit und Erinnerungen, zu eigenständigen, greifbaren Formen. Sie sind teils durchlässig und besitzen Leerstellen. Unterschiedliche Punkte befinden sich in verschiedenen Entfernungen zueinander, wie Momente, in denen man sich kurz begegnete und die sich dann wieder lösen. Die erlebten Gespräche werden wieder wach und schwingen nach.

„Aber es gab eine Zeit, in der wir versuchten, einander zu verstehen.“

Diese Punkte, die sich durch die Falten ergeben, sind Fragmente zeitlicher und emotionaler Natur. Sie durchdringen die Bäume, brechen sie auf, bieten punktuelles Begreifen und machen Kontakte sichtbar. Was nährt mich, wenn meine Wurzeln in der Luft und nicht im Boden verankert sind? Wie bekomme ich meine Nahrung und wie trage ich das Wasser in den Boden? Was verwurzelte mich einst, oder war ich schon immer entwurzelt? Wer trägt mich fort und wohin trägt es mich? Wie kann ich ankommen und mich wieder setzen lassen? Wohin wird meine Reise mich führen? Wie trägt der Wind mich fort und was hat diesen entfacht?

- Anna Mosemann